von Prof. Dr. Nicole Pötter
Gleich vier Berufe, die in Deutschland am stärksten vom Fachkräftemangel betroffen sind, zählen zur Sozialwirtschaft: Soziale Arbeit, Kinderbetreuung und -erziehung, Altenpflege und Gesundheits- und Krankenpflege (vgl. Hickmann und Koneberg 2022). Dies spürt auch die Münchener Stadtgesellschaft. Daher lud das Referat für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt München am 8.11.2024 zur Münchener Beschäftigungskonferenz 2024 zu diesem Schwerpunktthema ein. Die Veranstaltung trug den Titel „Sozialwirtschaft in der Krise: Innovative Lösungsansätze und Strategien für eine nachhaltige Beschäftigungspolitik“.
Gleich der erste Vortrag von Dr. Christian Hohendanner und Dr. Joß Steinke stellte den Begriff der „Sozialwirtschaft“ in Frage. Die Referenten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sowie des Deutschen Roten Kreuz schlugen vor vom „sozialen Sektor“ zu sprechen, da dieser Bereich anders funktioniere als „die Wirtschaft“. Auch der Arbeitsmarkt im sozialen Sektor kenne andere Gesetze als der Arbeitsmarkt in anderen Branchen. Gemeinsam stellten die Referenten eine Studie vor, die den Problemen des Fachkräftemangels im sozialen Sektor nachspürt. Anhand aktueller Daten zeigen die Autoren, dass der soziale Sektor im Wettbewerb um Arbeitskräfte schlecht dasteht. Zunehmend könnten grundlegende, bislang als selbstverständlich betrachtete Leistungen der sozialen Daseinsvorsorge nicht mehr erbracht werden. Mögliche Lösungen von Organisationen und Trägern im sozialen Bereich wurden diskutiert. Dr. Hohendanner und Dr. Steinke forderten insbesondere einen Bürokratieabbau und die Ermöglichung eines flexiblen Einsatzes von Ressourcen ein.
Prof. Dr. Nicole Pötter von der Hochschule München war eingeladen ihre Sicht auf die Soziale Arbeit und das Spannungsfeld von Professionalität und Fachkräftemangel zu erläutern. Nach einer kurzen Darstellung des Professionsverständnis in der Sozialen Arbeit und sich daraus ergebenden Problemen der Profilierung, leitete sie zu einer systematischen Betrachtung möglicher Lösungen über. Aus ihrer Sicht könne man an drei Stellschrauben drehen: entweder man erhöht die Anzahl der Menschen, die Soziale Arbeit studieren, oder man senkt den Bedarf an Sozialarbeitenden, oder man ermöglicht, dass Sozialarbeitende mehr bzw. effektiver arbeiten. Eine höhere Zahl Studierender ist aufgrund des demografischen Wandels unwahrscheinlich. Den Bedarf an Fachkräften der Sozialen Arbeit zu senken hieße den Sozialstaat zurückzubauen, was insbesondere Menschen mit besonderen Belastungen oder die in Armut leben spüren würden. Aus ihrer Sicht ist daher vor allem auf bessere Rahmenbedingungen in der Arbeit zu achten, denn neben den Faktoren „hoher Teilzeitanteil“ und „Ausfälle wegen Care-Arbeit“ ist zunehmend auch der Weggang von Fachkräften in Tätigkeiten außerhalb der Sozialwirtschaft ein Faktor für den Fachkräftemangel. Eine höhere Effektivität sei aus ihrer Sicht durch Bürokratieabbau und die Unterstützung der Fachkräfte bei der notwendigen Verwaltung erreichbar.
Der dritte Implusvortrag wurde von Coretta McGrath vom Deutschen Jugendinstitut gehalten. Das DJI hat in diesem Jahr seinen Abschlussbericht „Bedarfsanalyse zu Studienplätzen in der Sozialen Arbeit in Bayern“ vorgelegt. McGrath berichtete im Rahmen der Beschäftigungskonferenz über die Ergebnisse der DJI-Arbeitgeberbefragung und deren Maßnahmen, um dem Fachkräftemangel in ihren Organisationen entgegenzuwirken.
In der abschließenden Podiumsdiskussion kamen Verantwortliche verschiedener Einrichtungen zu Wort, die ihrerseits über ihre Versuche dem Fachkräftemangel in ihren Einrichtungen entgegenzuwirken berichteten. Dabei zeichnete sich neben der Reduzierung von Arbeitszeiten und der Erhöhung von Flexibilität, zum Beispiel beim Homeoffice, die Erhöhung von Spielräumen bei Entscheidungsbefugnissen und Organisation der Arbeit ab.